Text zu My eyes aint blue

My eyes ain't blue ist eine Annäherung an das Medium der Fotografie. Fragen nach der Identität einer fotografierten Person bilden die Grundlage für diese Porträts. Mich interessiert das Spannungsfeld zwischen Authentizität und Fiktion: Wer sind sie, die ich vor mir sehe, aber nicht mehr hier sind. Mit den Porträts hinterfrage ich fotografische Realität und bestätige sie gleichzeitig. Die Personen stehen uns mit intensiven Blicken gegenüber und überzeugen uns von ihrer Realität. Wir glauben, sie zu fassen und doch sind sie unfassbar. Wir glauben, sie zu kennen und doch erzählen sie fast nichts.


Frontale Begegnung: in Der Bund vom 10. September 2002, Magdalena Schindler
Die vier Männer und zwei Frauen auf den Fotografien von Brigitte Lustenberger sind jung und ernst. Als lebensgrosse frontale Halbfiguren fixieren sie uns mit ihrem konzentrierten Blick und scheinen aus dem Bildquadrat auf uns zuzutreten. Gleichzeitig muten die Dargestellten unwirklich an, da sie sich in einem kaum definierten weissen Raum befinden und ihre Körper durch die starken Helldunkelkontraste eingeebnet werden. Die Irritation ist gelungen und von der 33-jährigen Künstlerin Brigitte Lustenberger, der diesjährigen Gewinnerin des Fotopreises des Kantons Bern, durchaus beabsichtigt.

Personen-Typisierung
Während die sechs zur Serie my eyes ain’t blue gehörenden Figuren in ihrer schlichten Kleidung und mit den herabhängenden Armen neutralisiert wirken und an Polizeifotos denken lassen, verweist ein Gegenstand im Hintergrund – etwa eine Steckdose, eine Bocksleiter oder ein Papierschmetterling auf einen möglichen privaten oder beruflichen Kontext. Dieser bleibt jedoch bewusst vage und trägt weniger zur Individualisierung als vielmehr zur Typisierung der Personen bei. Dies erinnert an die Aufnahmen von August Sander aus den Zwanzigerjahren, den Brigitte Lustenberger denn auch zu ihren grossen Vorbildern zählt.